Bereit, an Seiner Tür zu sterben

Maalik bin Dinaar Rahimahullah erzählte den folgenden Vorfall:

Ich war einmal dabei den Tawaaf um die gesegnete Ka’bah herum zu verrichten. Während des Tawaafs staunte ich über die große Menge von Menschen, welche gekommen waren, um die Hajj und Umrah zu vollziehen. Als ich sie gerade beobachtete, kam mir der Gedanke: „Wenn ich nur wüsste, wer von ihnen bei Allah Ta’ala akzeptiert ist, damit ich ihm gratulieren kann und wer bei Allah Ta’ala abgelehnt wurde, damit ich Mitgefühl zeigen kann!“

Als ich in dieser Nacht schlafen ging, hatte ich einen Traum, in dem jemand zu mir sagte: „O Maalik bin Dinaar! Du hast über diejenigen nachgedacht, die Hajj und Umrah vollzogen haben! Ich schwöre bei Allah, dass Allah Ta’ala allen Menschen vergeben hat, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, schwarz oder weiß, arabisch oder nicht arabisch – mit Ausnahme eines Mannes. Allah Ta’ala ist sehr unzufrieden mit ihm und hat deshalb seine Hajj abgelehnt und ihm diese zurück in sein Gesicht schlagen lassen.“ Nur Allah Ta’ala allein weiß, wie ich es geschafft habe, für den Rest der Nacht zu schlafen, nachdem ich das gehört hatte, da ich befürchtete, dass ich vielleicht selbst die Person bin, die abgelehnt worden war.

Als ich in der folgenden Nacht schlafen ging, hatte ich genau den gleichen Traum, außer dass mir diesmal gesagt wurde: „Du bist nicht diese Person (die von Allah Ta’ala abgelehnt wurde). Er ist vielmehr ein Mann aus der Region Khurasan, aus einer Stadt namens Balkh. Er heißt Muhammad bin Harun. Allah Ta’ala ist sehr unzufrieden mit ihm. Allah Ta’ala hat seine Hajj abgelehnt und ihm diese zurück in sein Gesicht schlagen lassen.“

Am nächsten Morgen ging ich zu den verschiedenen Stämmen von Khurasan, die in Makkah Mukarramah (für die Hajj) versammelt waren und begrüßte sie mit dem Salaam-Gruß. Ich fragte sie dann: „Gibt es unter Ihnen Leute aus der Stadt Balkh?“ Als sie bestätigten, dass sich Leute aus Balkh unter ihnen befanden, fragte ich: „Gibt es unter Ihnen einen Mann namens Muhammad bin Harun?“ Sie antworteten enthusiastisch: „Wie ausgezeichnet! O Maalik, du fragst nach einem Mann, den niemand in Khurasan in der Anbetung und dem Desinteresse an der Welt übertreffen kann!“

Ich war erstaunt über die Art und Weise, wie sie seine Tugend priesen, angesichts des Traums, den ich gesehen hatte. Trotzdem sagte ich zu ihnen: „Bitte zeigt ihn mir.“ Sie antworteten: „Seit vierzig Jahren fastet er und verbringt die Nacht damit, das Gebet zu verrichten. Außerdem nimmt er nur heruntergekommene Ruinen als Wohnsitz. Du wirst ihn in einen der Ruinen von Makkah Mukarramah finden.“

Ich ging also zu den zerfallenen Gebäuden von Makkah Mukarramah und begann dort zu suchen, bis ich ihn fand. Er stand hinter einer Mauer, seine rechte Hand war amputiert und seine Schlüsselbeine waren durchbohrt, wobei Ketten durch sie hindurchgeführt waren, die sich als Fesseln bis um seine Knöchel erstreckten. Als ich ihn sah, war er gerade mit dem Gebet beschäftigt und verrichtete Ruku und dann Sajdah. Aber als er das Geräusch meiner Schritte hinter sich hörte, verkürzte er sein Gebet und beendete es sogleich.

Daraufhin fragte er mich: „Wer bist du und woher kommst du?“ Ich antwortete: „Ich bin Maalik bin Dinaar aus Basrah.“ Als er meinen Namen hörte, fragte er: „Bist du derselbe Maalik, von dessen Wissen über den Dien (Islam) und dessen Askese das irakische Volk spricht?“ Ich antwortete: „Derjenige, der wirklich kenntnisreich ist, ist Allah Ta’ala. Und der wahre Asket ist Umar bin Abdil Aziz Rahimahullah, da der Reichtum der Welt für ihn greifbar war, er sich jedoch von ihm abwandte (und ihn aufgab). Für mich ist es die Armut, die mich gezwungen hat, mich von der Welt zu lösen.“

Muhammad bin Harun fragte mich dann: „O Maalik! Was hat dich zu mir gebracht? Du musst einen Traum über mich gesehen haben, also sag mir bitte, was du gesehen hast.“ Ich antwortete: „Es ist mir peinlich, Dir zu sagen, was ich gesehen habe.“ Er antwortete: „Schäme dich nicht, o Maalik!“ So erzählte ich ihm den Traum (auf sein Drängen hin).

Nachdem er meinen Traum gehört hatte, fing er an zu weinen und vergoss geraume Zeit Tränen. Schließlich sagte er zu mir: „O Maalik! In den letzten vierzig Jahren wurde jedes Jahr einem der frommen Menschen wie dir dieser Traum über mich gezeigt und ihm mitgeteilt, dass ich zu den Leuten der Jahannam (Hölle) gehöre.“ Ich fragte: „Hast du etwa eine schreckliche Tat oder Sünde begangen, die jetzt ein Hindernis zwischen dir und Allah Ta’ala darstellt?“ Er antwortete: „Ja! Meine Sünde ist noch größer als die Himmel, die Erde und der Thron von Allah Ta’ala!“ Ich fragte: „Erzähl mir von deiner Sünde, damit ich andere warnen und sie davon abhalten kann, so dass sie diese nicht begehen.“

Muhammad bin Harun erzählte somit Folgendes:

„O Maalik! Ich war ein Mann, der übermäßig berauschende Substanzen konsumierte. Eines Tages war ich mit einem meiner Freunde zusammen und trank so viel Alkohol, dass ich total betrunken wurde und meinen Sinn für Vernunft völlig verlor. In diesem betrunkenen Zustand verließ ich meinen Freund und kehrte nach Hause zurück. Als ich zu Hause ankam, klopfte ich an die Tür. Meine Frau öffnete mir die Tür. Als ich eintrat, sah ich meine Mutter, die den Ofen anheizte, um seine Hitze zu erhöhen. Sie heizte ihn so weit an, bis das Innere des Ofens durch die Hitze weiß wurde. An diesem Punkt drehte sie sich um und sah mich in meinem betrunkenen Zustand hin und her schwanken.

Sie begann mir Vorwürfe zu machen und sagte: ‚Dies ist der letzte Tag vom Monat Scha’baan und heute Nacht wird die erste Nacht des Monats Ramadhan sein! Morgen früh werden alle Menschen in einem Zustand des Fastens aufwachen. Und du wirst in einem Zustand aufwachen, in dem du betrunken und berauscht bist! Schämst du dich nicht vor Allah?‘ Als ich den Vorwurf meiner Mutter hörte, hob ich meine Hand und schlug sie. Meine Mutter verwünschte mich und sagte: ‚Mögest du vernichtet sein!‘

Ich war über ihren Fluch so verärgert, dass ich sie in meinem betrunkenen Zustand hochhob und in den Ofen warf. Als meine Frau das sah, schob sie mich in einen Innenraum des Hauses und schloss die Tür ab, aus Angst, die Nachbarn würden das Geschrei hören.

Als die Nacht zu Ende ging, kehrte meine Nüchternheit zurück und ich erholte mich wieder. Ich rief meiner Frau zu, sie solle die Tür öffnen, stellte jedoch fest, dass sie mit Härte und Ekel zu mir sprach, als sie mir antwortete. Ich fragte sie: ‚Was ist los? Warum zeigst du mir eine Härte, die du mir noch nie zuvor gezeigt hast?‘ Sie antwortete: ‚Du verdienst keine Freundlichkeit oder Sympathie von mir!‘ Als ich das hörte, fragte ich sie nach dem Grund, woraufhin sie antwortete: ‚Du hast deine Mutter getötet. Du hast sie in den Ofen geworfen und sie ist darin verbrannt.‘

Als ich das hörte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich brach die Tür auf, verließ den Raum und eilte zum Ofen. Als ich in ihn hineinschaute, sah ich darin den Körper meiner Mutter, der einem verbrannten Brot ähnelte. Ich wandte mich vom Ofen ab und sah eine Axt. Ich ergriff sie mit meiner linken Hand, legte meine rechte Hand auf den Türrahmen und hackte meine rechte Hand ab. Dann durchbohrte ich meine Schlüsselbeine und steckte eine Kette durch sie. Ich fesselte auch meine Füße.

Mein Vermögen bestand aus 8000 Dinaar (Goldmünzen). Bevor die Sonne untergehen konnte, gab ich den gesamten Betrag für wohltätige Zwecke aus. Ich befreite sechsundzwanzig Sklavinnen und dreiundzwanzig Sklaven und spendete alle meine Besitztümer zur freien Verwendung auf dem Weg Allah Ta’alas. Seitdem habe ich die letzten vierzig Jahren jeden Tag gefastet und bin jede Nacht wach geblieben und habe sie im Gebet verbracht. Ich vollziehe jedes Jahr die Hajj und jedes Jahr wird einem der gelehrten Personen dieser Traum über mich gezeigt, wie er auch dir gezeigt wurde!“

Maalik bin Dinaar Rahimahullah sagte:

Ich rief aus: „Du verfluchte Person! Du hast mit dem Feuer deiner Sünde fast die Erde und alle ihre Bewohner verbrannt!“ Dies sagend, drehte ich mich um und verließ ihn. Ich verweilte an einem Ort, an dem ich ihn immer noch hören konnte, befand mich für ihn aber außer Sichtweite. Zu diesem Zeitpunkt hob er die Hände und machte das folgende Du’a:

„O Du, Der die Sorge beseitigt, Der die Trauer entfernt, Derjenige, Der den Ruf von dem, der in Not ist beantwortet! O Du, Der am beständigsten ist! Der mich nicht im Stich lässt, wenn ich an Ihm festhalte! O Schöpfer des tiefen Ozeans! O Du, Der mein einziger wahrer Gott ist! O Du, Der Leichtigkeit schafft! O Du, in Dessen Kontrolle der Schlüssel zu jeder Güte liegt! Ich suche Schutz bei Deiner Zufriedenheit vor Deinem Zorn und bei Deiner Vergebung vor Deiner Bestrafung und ich suche Zuflucht bei Dir vor Dir! Ich kann Deine Tugenden nicht preisen (wie sie gepriesen werden sollten). Du bist so, wie Du Dich selbst gelobt hast! O mein Herr! Brich nicht meine Hoffnung, während ich Hoffnung auf Dich habe und lasse meine Du’a nicht vergebens sein, während ich Du’a zu Dir mache! Ich bitte Dich um das Glück zu leben, bevor ich sterbe, und ich bitte Dich, gesegnet zu sein, um Dein Antlitz sehen zu können!“

Nachdem er dieses Du’a gemacht hatte, machte ich mich auf den Weg und kehrte zu meiner Residenz zurück. In dieser Nacht hatte ich einen Traum, in dem ich gesegnet wurde, Rasulullah Sallallahu ‘alayhi wa sallam zu sehen. Rasulullah Sallallahu ‘alayhi wa sallam sagte zu mir: „O Maalik! Lasse die Menschen nicht die Hoffnung auf die Barmherzigkeit und Vergebung von Allah Ta’ala verlieren! In der Tat hat Allah Ta’ala das Du’a von Muhammad bin Harun angenommen und seine Sünde vergeben. Am Tag von Qiyaamah wird Allah Ta’ala seiner Mutter eingeben, ihm ebenfalls zu vergeben.“

Am nächsten Morgen ging ich zu Muhammad bin Harun und informierte ihn über den Traum, den ich gesehen hatte. Sobald er die frohe Botschaft hörte, die ich ihm übermittelte, tat er seinen letzten Atemzug und nahm Abschied von dieser Welt. Danach nahm ich an seinem Janaazah-Gebet teil.

Lektionen:

  1. Obwohl Maalik bin Dinaar Rahimahullah zu den führenden rechtschaffenen Gelehrten seiner Zeit gehörte, war seine Demut so groß, dass er vermutete, die unglückliche Person zu sein, deren Hajj abgelehnt wurde. Als der Mann ihn für seine Askese und sein Wissen lobte, schrieb er sich selbst keine Größe zu, sondern lobte stattdessen Umar bin Abdil Aziz Rahimahullah.

  2. Jeder Mensch sollte immer Hoffnung auf die Barmherzigkeit von Allah Ta’ala haben, aber gleichzeitig sollte er sich davor fürchten, dass er von Allah Ta’ala abgelehnt und verstoßen werden kann. Daher sollten wir uns weiterhin bemühen und rechtschaffene Handlungen ausführen und wir sollten niemals zu zuversichtlich in Bezug auf unsere Handlungen sein. Vielmehr sollten wir Allah Ta’ala bitten, unsere Taten anzunehmen, da sie der Annahme nicht würdig sind und Ihn um Seine Vergebung bitten, weil wir die Handlungen nicht so verrichten, wie sie ausgeführt werden sollten.

  3. Jannah liegt unter den Füßen der Mutter, während der Vater eine Tür zum Jannah ist. Den Eltern zu gefallen bedeutet, Allah Ta’ala zu gefallen und ihnen zu missfallen bedeutet, Allah Ta’ala zu missfallen. Wenn die Erfüllung ihrer Rechte und die Zufriedenstellung ihrer Herzen ein Mittel ist, um Jannah zu verdienen, dann führt das Zufügen von Leid und das Brechen ihrer Herzen zweifellos zur Jahannam.

  4. Gleich, wie groß unsere Sünde, wie schlecht unsere Bilanz oder wie abscheulich unser Verbrechen ist – Allah Ta’ala ist immer noch bereit, uns zu vergeben und unsere Reue anzunehmen. Wir sollten niemals die Hoffnung auf Allah Ta’ala verlieren, da die Tür Seiner Barmherzigkeit für uns so lange offensteht, bis wir sterben oder die Sonne im Westen aufgegangen ist. Alles, was es bedarf, ist, dass wir in echter Reue über unsere Sünden umkehren, um Verzeihung bitten und uns verpflichten, nie wieder zu unseren sündigen Handlungen zurückzukehren.

  5. Sobald Muhammad bin Harun realisierte, was er angerichtet hatte, tat er sein Bestes, um dies zu kompensieren. Er gab seinen ganzen Reichtum weg und verbrachte den Rest seines Lebens in der Anbetung von Allah Ta’ala. Wenn wir bedauerlicherweise in Sünde gefallen sind, sollten wir keine Zeit verstreichen lassen, wieder auf die Beine zu kommen und eine Wiedergutmachung zu leisten. Dies können wir tun, indem wir das Gebet für Taubah (Reue) verrichten, den Armen spenden und unser Leben mit guten Taten verbringen.

  6. Die vielleicht bemerkenswerteste Lektion, die aus diesem Vorfall gelernt werden kann, ist die Entschlossenheit und Ausdauer. Obwohl die rechtschaffenen Menschen vierzig Jahre lang Träume mit dem Hinweis sahen, dass seine Hajj abgelehnt wurde, blieb Muhammad bin Harun standhaft und gab nie auf. Er hatte realisiert, dass es außer Allah Ta’alas Tür keine andere Tür der Barmherzigkeit gibt, an die er klopfen konnte. Und so war er bereit an die Tür zu klopfen, bis er sterben würde. Diese Ausdauer zahlte sich letztendlich aus, als Allah Ta’ala ihm nur wenige Momente vor seinem Tod vergab.